Aktuelles aus der Region

zurück

Bremervörder Zeitung vom 11. Januar 2013

IHK zwischen Bahn und Autobahn

STADE. Über 800 Vertreter des öffentlichen Lebens sind gestern dem Ruf der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade zum traditionellen Neujahrsempfang ins Stadeum gefolgt. Dass das Vörder Land in diesem Jahr schwächer als in den Vorjahren vertreten war, hatte einen triftigen Grund, der in der heutigen Ausgabe der BZ gleich auf drei Seiten nachzulesen ist: Die nahezu zeitgleich stattfindende Eröffnung der Justizvollzugsanstalt in Bremervörde sorgte dafür, dass viele Vertreter von Politik, Verwaltung und Wirtschaft nicht oder nur verspätet nach Stade fahren konnten. Wer nicht kam, verpasste einen mitreißenden Vortrag von Bahnchef Rüdiger Grube, der sich vom Obstbauernsohn mit Hauptschulabschluss zu einem charismatischen Topmanager hochgearbeitet hat – und ein hochprofitables Unternehmen mit 300 000 Mitarbeitern führt. Von Thomas Schmidt

Und in gewisser Weise verkörpert Grube vielleicht ein Ideal, das IHK-Präsident Lothar Geißler mit einem kleinen Exkurs in die Glücksforschung als Erfolgsgarantie eines jeden Menschen ausgab: „Empfundenes Glück, sei es als Individuum oder sei es als Gesellschaft, korreliert ganz eindeutig positiv mit wirtschaftlichem Erfolg. Es kann doch wohl nicht sein, dass wir Unternehmertum und eine positive wirtschaftliche Entwicklung gegen selbst ernannte Philosophen und Lebenskünstler in Talkshows verteidigen müssen“, wandte sich der oberste Repräsentant der Wirtschaft in der Elbe-Weser-Region an die Festgäste.
Dass das Glück der Wirtschaft untrennbar mit dem größtem Infrastrukturprojekt der Region, der geplanten Küstenautobahn, verbunden sei, ließ Geißler nicht unerwähnt: „Ich mache mir keine Illusionen, dass an dem Tag, an dem eine Autobahn freigeben wird, das Wirtschaftswachstum entlang der Autobahn sprunghaft steigt. Aber ohne die Verkehrsanbindung wird eine Region abgekoppelt von der wirtschaftlichen Entwicklung“, sagte Geißler. „Wenn Sie die Arbeislosenquoten in Deutschland im kleinen Maßstab darstellen, zeichnet diese Karte das zentrale Verkehrsnetz der Bundesrepublik nach.“ Keiner möchte die Autobahn vor seiner Tür haben, räumte auch Geißler ein, aber Menschen und Betriebe folgten ihnen ganz eindeutig, was auch im IHK-Bezirk Stade deutlich werde.

Im nördlichen Niedersachsen und in Hamburg wohnen die glücklichsten Menschen Deutschlands.

IHK-Präsident
Lothar Geissler in seinem Exkurs über die GLÜCKSFORSCHUNG

Dass der Hauptredner des Neujahrsempfanges, Bahnchef Grube, als ehemaliger Vorstandschef des Daimler-Benz-Konzerns Sympathien für die Autobahn habe, ist anzunehmen. Vor dem IHK-Publikum sang er jedoch das Loblied auf die Bahn, die er zum Marktführer weltweit formen möchte, wie er gestern bekannte. Als weiteres strategisches Unternehmensziel nannte Grube, dass er die Bahn in die Riege zu den zehn beliebtesten Top-Arbeitgeber machen möchte. Denn nur zufriedene Arbeitnehmern sorgten auch für eine hohe Kundenzufriedenheit. Das dritte große Unternehmensziel sei die Vorreiterrolle in Sachen Ökologie. Das gelte nicht nur für den Jahr für Jahr steigende Einsatz regenerativer Energien bei der Bahn, sondern auch für seine Bemühungen, Bahnlärm nicht mit hohen Schutzwänden zu bekämpfen, sondern an der Quelle: durch den Einsatz von „leisen“ High-Tech-Kunststoffen an den Brems- und Antriebssystemen der Bahnfahrzeuge.
Nach dem „Werbeblock“ in Sachen Bahn, die Grube 2012 zu einem Gewinn von 2,3 Milliarden Euro führte, warb der Manager ganz vehement für den Standort Deutschland, um deren Errungenschaften andere das Land beneideten. „Sorgen Sie dafür, dass der Deutsche Meisterbrief und der deutsche Diplom-Ingenieur auch weiterhin erhalten bleiben. Danach lecken sich andere Länder die Finger“, sagte Grube unter dem Applaus der Festgäste. Nach seinem Erfahrungen in China, wo Grube fünf Jahre als Daimler-Manager lebte, sang er nicht zuletzt auch das Loblied auf die Investitions- und Rechtssicherheit in Deutschland. Das sei eine hohes Gut, das es zu erhalten gelte, betonte der Bahnchef. Er habe kein Problem damit, sich mit den Gegnern von Bahnprojekten an einen Tisch zu setzen. Doch wenn ein Projekt erst genehmigt und baureif ist, müsse es auch realisiert werden, spielte er auf „Stuttgart 21“ an. Alles andere gefährde den Ruf Deutschlands bei ausländischen Investoren, mahnte Grube.



Festredner beim IHK-Neujahrsempfang: Bahnchef Rüdiger Grube.


Von der JVA zur IHK: CDU-Landtagskandidat Hans-Heinrich Ehlen (vorn) schaffte den Spagat zwischen zwei nahezu zeitgleich stattfindenden Terminen gestern mühelos. Über 800 Vertreter von Wirtschaft, Verwaltung und Politik folgten gestern der Einladung der Industrie- und Handelskammer ins Stadeum. Foto: Schmidt

zurück