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Kolumne in der Bremervörder Zeitung am 25.01.2014

Grüner Genuss? Ja! Und jein.

Liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht wird es Sie überraschen, manchmal bin auch ich ein Grüner aus Überzeugung. Und ich bin ein Berliner. Immer im Januar ist nämlich „Grüne Woche“ und (fast) so lange ich denken kann, fahre ich als Messebesucher hin. Als einer von über 400.000 übrigens. Essen, trinken und Informationen aufsaugen, da bin ich nicht anders als die wissensdurstigen ABC-Schützen, die vor mir am Gemüse schnupperten. Ob ich dort auch netzwerke mit wichtigen Leuten aus Politik und Lebensmittelsektor? Ja, immer. Dabei ist „wichtig“ relativ – nicht immer müssen tolle Leute Anzug und Krawatte tragen. Richtig gut sind auch Überraschungen, wie in der Tierschauhalle. Quer durch gerufen hörte ich: „Eh Heiner, wat mockst du denn hier?“ Es war: ein Farvener samt Familie. Ihr Minirind der Rasse „Dexter“ stellten sie aus, eine Messebesonderheit.
Apropos Überraschungen, es gibt auch eine, die mir überhaupt nicht schmeckt. Unser niedersächsischer Landwirtschaftsminister (ein politisch Grüner) hat eine neue Gebührenverordnung für den Verbraucherschutz und die Veterinärverwaltung angekündigt. Nicht nur unser Landvolk findet das wenig sinnvoll. Auch in Berlin haben mir viele „kleine Krauter“ ihre Befürchtungen geschildert, sie müssten bald aus eigener Kasse teure Untersuchtungen bezahlen, die weder notwendig sind, noch ein schlechtes Analyseergebnis zu erwarten hätten.
So kostet beispielsweise eine Dioxinuntersuchung, also eine Analyse auf giftige Verbrennungsrückstände, rund 1000 Euro – und sie ist risikoorientiert bei sensiblen Produkten und Unternehmen ein Muss! Doch erstens ist Deutschland (und besonders Niedersachsen als Speisekammer Europas) führend in punkto regelmäßiger Eigenkontrollen entlang der gesamten Versorgungskette – weil bei uns jede In-Verkehr-Bringung nicht einwandfreier Produkte einen Rechtsverstoß für den Betrieb bedeutet. Und zweitens ist die zusätzliche, risikoorientierte Kontrolle meiner Meinung nach Sache des Staates. Oder wie würden Sie reagieren, wenn der Verkehrsminister spontan beschließt, sie müssen jetzt bei der Verkehrskontrolle erstmal zahlen – ohne dass Sie irgendeinen Anlass zu Kontrolle gegeben hätten, und auch ohne anschließenden negativen Befund? Fänden Sie da den Grund „weil es aktuell größere Unfälle in Deutschland gab“ gerechtferigt? Wer am lautesten schreit, hat nicht recht. Nicht immer zumindest.
Das zeigt auch der Rechtsstreit zwischen der Stiftung Warentest und Ritter Sport, bei dem das Analyse-Institut gegen das Unternehmen hinsichtlich bemängelten Aroma-Stoffs den Kürzeren zog. Und bei einem anderen Beispiel muss ich mich sogar an die eigene Nase fassen: unser neues Hundegesetz. Ich verstehe den Unmut vieler Hundebesitzer über den behördlichen Aufwand und die Gebühren. Dabei war ich als damaliger Verbraucherschutzminister Mitinitator der Neuerung – und wir wollten wirklich Gutes. Wir wollten nach schlimmen Beißvorfällen dem lauten Wunsch der Öffentlichkeit und der Medien sowie zugleich den fachlichen Empfehlungen von Veterinären und Tierschützern Rechnung tragen. Gut gemeint ist eben nicht immer perfekt gemacht, ich verstehe den aktuellen Landwirtschaftsminister bei seiner Idee zu mehr Kontrollen (und die Grünen sorgen, zugegeben, öfters für interessante Denkanstöße). Aber wäre es jetzt nicht besser, das Geld in unser ohnehin gutes Kontrollsystem zu stecken, und mit den wenigen Schwarzen Schafen der Branche härter ins Gericht zu gehen, statt allen pauschal teure Kontrollen zu befehlen?
Auf Facebook habe ich grad einen Beitrag gesehen, der zwar nicht neu aber gut ist – und vielleicht auch für Bauern zutrifft? „Handwerker haben die Arche gebaut, Ingenieure die Titanic.“ Gefällt mir.

Ein erholsames Wochenende wünscht
Ihr Heiner Ehlen 

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