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Zevener Zeitung vom 19.01.2013

Matadoren im Endspurt

ZEVEN. Von Sachlichkeit und respektvollem Umgang miteinander war die Podiumsdiskussion geprägt, zu der die Zevener Zeitung am Donnerstagabend ins „Hotel Paulsen“ eingeladen hatte. Den Fragen von ZZ-Redakteur Andreas Kurth und aus dem Publikum stellten sich Hans-Heinrich Ehlen (CDU), Bernd Wölbern (SPD), Hendrik Jürgens (FDP), Marianne Knabbe (Grüne) und Klaus Bolte (Piraten). Von Thorsten Kratzmann


Gut 70 Interessierte verfolgten am Donnerstagabend die Podiumsdiskussion und beteiligten sich daran, indem sie den fünf Kandidaten von CDU, SPD, Grünen, Piraten und FDP mit ihren Fragen auf den sprichwörtlichen Zahn fühlten.

Dem uniform in schwarzen Zwirn gehüllten Sextett auf dem Podium saßen rund 70 Interessierte gegenüber, darunter auch einige Jungwähler. Sie erfuhren zunächst, was die Kandidaten tun, um der Politikverdrossenheit keinen Vorschub zu leisten: Authentisch und verlässlich sein (Knabbe); Nähe zum Bürger pflegen und sich um deren Anliegen kümmern (Ehlen); Sorgen der Bürger aufnehmen und transportieren (Jürgens); tun, was man sagt, und sagen, was man tut (Wölbern); zeigen, dass der „einfache Bürger“ etwas beeinflussen kann (Bolte).

Unverständnis aus dem Publikum und von Kandidatenseite schlug sowohl Hendrik Jürgens als auch Besucher Peter Dörr entgegen, als sie die Existenz von Politikverdrossenheit in Frage stellten.

Damit nicht immer nur Negatives in den Blick gerückt wird, erging die Bitte an die Matadoren, sich positiv über den Landkreis zu äußern: Genannt wurden Vollbeschäftigung (Jürgens), wirtschaftliche Lage (Ehlen), Versorgung mit Krippenplätzen (Knabbe), Familienpolitik (Wölbern) und Stromexport (Bolte).

Da sich die fünf Kandidaten zur Einführung einer Lohnuntergrenze, von Branchenmindestlöhnen oder gesetzlichen Mindestlöhnen ausgesprochen und bekannt hatten, dass ein 450-Euro-Job dem Hinzuverdienst diene, aber nicht zum Lebensunterhalt tauge, lenkte der Moderator die Aufmerksamkeit auf ein strittigeres Thema – Biogas.

Die Frage, ob die Politik falsche Anreize gesetzt habe, war dazu angetan, zwei Lager zu bilden. Auf der einen Marianne Knabbe, Bernd Wölbern und Klaus Bolte, auf der anderen Hendrik Jürgens und Hans-Heinrich Ehlen. Während Knabbe und Wölbern die Subventionen kappen wollen, forderte Bolte eine Vollkostenrechnung bei der Energieerzeugung. Das Trio mahnte ein nachhaltiges Wirtschaften der Landwirte an. Hendrik Jürgens verwies bei der Einspeisevergütung darauf, dass die Anlagenbetreiber Vertrauensschutz genössen. Hans-Heinrich Ehlen wertet die „Überförderung“ der Biogas-Bauern als Markteinführungshilfe. Zu einem späteren Zeitpunkt müssten sie sich ohne Subventionen „am Markt behaupten“.

Als umweltpolitische Sofortmaßnahme wollen Wölbern und Knabbe im Falle eines Regierungswechsels das von Schwarz-Gelb geschlossene Landesamt für Ökologie zum Leben erwecken. Jürgens will ein Klimaschutzkonzept erarbeiten und Ehlen den Flächenverbrauch für Ausgleichsmaßnahmen reduzieren.

Biogasanlage Meckelsen

Mit Blick auf die in Groß Meckelsen geplante Biogas-Großanlage stellte der Christdemokrat lakonisch fest, dass deren Standort im Trinkwasserschutzgebiet laut Gesetz keine Gefahr darstelle, während der Liberale den Kritikern der Anlage die Frage vorhielt, ob nicht auch alle Güllespeicher aus Wasserschutzgebieten zu entfernen seien. Die Bündnisgrüne und der Sozialdemokrat verwiesen auf den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, deretwegen die Anlage dort nicht gebaut werden dürfe.

Um das Wohl und Wehe des Trinkwassers ging es auch, als die Wahlkämpfer aufgefordert waren, ihre Position zum Fracking zu formulieren: „Ich bin nicht total dafür“, betonte Ehlen. Einer Bohrgenehmigung müsste in jedem Fall eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorangestellt werden. Es gelte, den Grundwasserschutz nicht zu opfern. Hendrik Jürgens ist der Ansicht, die damit möglicherweise verbundenen Gefahren seien einer „ideologiefreien“ Prüfung zu unterziehen. Schlicht und ergreifend für „eine Sauerei“ hält es Bernd Wölbern, einen chemischen Giftcocktail in den Boden zu pressen. Die damit und mit dem Anbohrens des Erdkerns einhergehenden Gefahren seien nicht zu überbieten, ergänzte Marianne Knabbe. Dass offensichtlich „alle gegen eine Vergiftung des Grundwassers“ sind, resümierte Klaus Bolte, um sogleich festzustellen: „Aber es passiert andauernd.“

Auf weniger vermintes Gelände führte Moderator Kurth die Kandidaten mit der Frage, was sie von einer Lkw-Maut auf Bundesstraßen halten? „Kann funktionieren“, meinte Wölbern – im Gegenzug seien deutsche Autofahrer von der Kfz-Steuer zu entlasten. Als uneingeschränkte Befürworterin einer Lkw-Maut auf Bundes- und Landesstraßen gab sich die Bündnisgrüne zu erkennen. Reserviert zeigte sich Hendrik Jürgens. Wichtiger sei es, „ordentliche Haushaltspolitik zu betreiben, damit die Straßen in einem guten Zustand gehalten werden können“. Hans-Heinrich Ehlen hält nichts von einer Ausweitung der Lkw-Maut. Unter Hinweis darauf, dass das Autofahren viel zu billig sei, weil dem Spritpreis keine Vollkostenrechnung zugrunde liege, machte Klaus Bolte deutlich, dass die Debatte einen falschen Ansatz habe. Er plädiert für einen fahrscheinlosen öffentlichen Personennahverkehr, um das Klima zu schützen.

Mit dem gleichen Ziel müssten seiner Ansicht nach auch die Energiepreise steigen. Dass sie weiter anziehen werden, halten seine Konkurrenten Ehlen, Knabbe und Wölbern im Angesicht der Energiewende für unausweichlich. Mit einer Senkung der Stromsteuer will Hendrik Jürgens für einen Ausgleich sorgen.

KOMMENTAR


Angesichts steigender Energiepreise vertraut Marianne Knabbe (links), befragt von ZZ-Redakteur Andreas Kurth, auf die Innovationskraft deutscher Ingenieure, um den Energieverbrauch zu senken. Hans-Heinrich Ehlen sieht in steigenden Energiekosten die „Achillesferse“ der deutschen Wirtschaft. Hendrik Jürgens (rechts) will die Energiesteuern absenken.


Klaus Bolte (Mitte) propagiert den fahrscheinlosen ÖPNV – eine „spannende Idee“ meinen Bernd Wölbern (rechts) und Marianne Knabbe. Hendrik Jürgens und Hans-Heinrich Ehlen halten sie für unrealistisch.

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