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Zevener Zeitung vom 11.01.2011

 Ehlen: Verbraucher ist sicher

CDU-Politiker aus Kalbe äußert sich zum Dioxin-Skandal – Fonds und Positiv- Liste als Vorschlag

VON  WIELAND BONATH


Auch in der Landwirtschaft nach wie vor aktiv: Hans-Heinrich Ehlen in der Futterzentrale des von ihm aufgebauten Schweinezuchtbetriebes, der inzwischen von seinem Sohn Jan geführt wird.  Foto: Bonath

ROTENBURG.  Der Dioxin-Skandal hat auch im Landkreis Rotenburg  Verbraucher und Landwirte verunsichert. 178 Betriebe waren kreisweit betroffen. Für die ersten gibt es, wie berichtet, inzwischen Entwarnung. Über das Thema sprachen sprachen wir mit Hans-Heinrich Ehlen. Der CDU-Politiker  aus Kalbe ist Landtagsabgeordneter und war bis zum vergangenen Jahr  Niedersächsischer Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung. Landwirtschaftsmeister Ehlen hat in Kalbe  eine anerkannte Schweinezucht aufgebaut, die jetzt von seinem Sohn Jan geführt wird.

ZZ: Herr Ehlen, ist auch Ihr Betrieb gesperrt?
Ehlen: Bis heute nicht.

ZZ:  Das Bundesministerium vermutet im Zusammenhang mit der Fettpanscherei inzwischen ein „hohes Maß an krimineller Energie“. Gehen Sie auch so weit?
Ehlen: Davon gehe ich ebenfalls aus. Bei diesen Fetten handelt es sich um aufbereitete Fette, zum Beispiel Friteusen sowie Öle und Fette zur Biodiesel-Herstellung. Dabei fallen Stoffe für die Herstellung von Futtermitteln an. Für Futtermittel nicht geeignete Stoffe können als technische Fette verwendet werden, zum Beispiel für die Papierherstellung und als Schmierstoffe.
Diese verschiedenen Verwendungen sind in der Verwertung finanziell unterschiedlich lukrativ. Das heißt, Futtermittel erlösen mehr als technische Verwertung. Deshalb ist die Verlockung, möglichst viel in die Futterschiene zu bringen, sehr groß, aber eben verboten.

ZZ  Was raten Sie dem Landwirt, wie ist Ihr Tipp an den Verbraucher: Wie sollen sich jetzt beide Seiten verhalten?
Ehlen: Wir sind im Moment in einem Stadium, wo zwar Tausende von Proben genommen werden, aber die Untersuchungsergebnisse noch nicht vorliegen. Ich gehe davon aus, dass 90 bis 95 Prozent der Proben unbelastet sind, und dann würde die Sperre aufgehoben.

ZZ: Woher wissen Sie das so genau, warum sind Sie so relativ optimistisch?
Ehlen: Das sind Erfahrungen der vergangenen Jahre.

ZZ: Und was wird mit den übrig gebliebenen 10 bis 5 Prozent?
Ehlen: Das sind die Positiven, die werden aus dem Futter- und Lebensmittel-Kreislauf heraus genommen und vernichtet, in der Regel verbrannt.
Der Verbraucher kann sicher sein, dass die Waren, die am Markt sind, auch unbedenklich sind. Allerdings muss diese grundsätzliche Aussage gelten: Frei von Dioxin kann kein Nahrungsmittel sein, weil eine Grundbelastung naturgegeben ist. Auch in der Bioschiene.

ZZ:  Wie können ähnliche Katastrophen in Zukunft verhindert werden?
Ehlen: Mein Vorschlag: Man färbt nicht als Futter- und Lebensmittel taugliche Materialien ein. Alle, die sich an der Lebensmittel-Produktionskette beteiligen, müssen für die Reinheit und Qualität der Ware gerade stehen. Deshalb schlage ich vor, eine Positiv-Liste für Futterkomponenten zwingend einzurichten.

ZZ:  Von Landwirten wurde bereits darauf hingewiesen, dass sie es wieder seien, die den Schaden auszubaden hätten. Erwarten Sie das auch?
Ehlen: Vom Berufsstand wurde natürlich wieder die Forderung nach Schadensersatz gestellt, der letztendlich dann auch vom Verursacher zu leisten wäre. Mir schwebt vor, hier vielleicht einen durch öffentliche Mittel gestützten Fonds einzurichten, um Untersuchungskosten abzudecken. Vorsichtig geschätzt, wären für Niedersachsen 5 Millionen Euro nötig, um diesen Ansatz „Proben-Kosten“ abzudecken.

ZZ:  Ihr Vorschlag, wie die Bauern für den immensen Schaden am besten zu entschädigen sind?
Ehlen: Den eigentlichen Schaden durch möglichen Tier- und Futterverlust muss der Verursacher tragen.

ZZ:  War die Reaktion auf den Dioxin-Fund mit der Schließung einer Vielzahl von Betrieben angemessen oder überzogen?
Ehlen: Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz sind Markenzeichen niedersächsischer Produkte, und deshalb können wir uns keine Abstriche bei der Produktsicherheit leisten. Niedersachsen als „Speisekammer für Deutschland und Europa“ muss seinem Ruf gerecht werden und seinen hohen Qualitätsanspruch erfüllen.
  Die Reaktion ist also angemessen.

ZZ:  Könnte eine Erfahrung aus dem Dioxin-Skandal diese sein: Wir sollten vermehrt zum Biolandbau wechseln!?
Ehlen: Es ist nicht so, dass der Biolandbau problemlos wäre. Mein Appell an den Verbraucher: Man sollte sich mehr auf nüchterne Messergebnisse verlassen und weniger auf Emotionen stützen.

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