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Zevener Zeitung vom 04. Juli 2005

Schlechte PISA-Werte: Hilft eigenverantwortliche Schule?

Schulleitung, Lehrkräfte, Elternvertreter und Landespolitker diskutieren mit Staatssekretär Saager

Selsingen (rsk). Eine Gruppe von vier Politikern - Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen, CDU-Landtagsabgeordnete Mechthild Ross-Luttmann, der Vorsitzende des Arbeitskreises Schule im CDU-Kreisverband Rotenburg und Staatssekretär Hartmut Saager aus dem Kultusministerium- besuchte am Donnerstag den Landkreis Rotenburg. Alle Besuche drehten sich um das Thema „Schule“. In Selsingen, der letzten Station des Tages, wurde über die Frage diskutiert, was die eigenverantwortliche Schule zur Verbesserung der PISA-Ergebnisse beitragen kann.

Staatssekretär Hartmut Saager aus dem Kultusministerium stellte den Zuhörern zunächst die Überlegungen der Landesregierung zu mehr Eigenverantwortung der Schulen vor. „wir hängen gegenüber dem internationalen Standart zurück“, bekannte der Regierungsvertreter. „Die Antwort von uns ist zweierlei.“

Strukturreform

Die erste Antwort sei die Schulstrukturreform gewesen. „Das ist abgeschlossen. Aber ich weiß, dass das in den Schulen noch Zeit brauchen wird.“ Man habe schon Einiges zu Wege gebracht: „Wir werden zentrale Abschlussprüfungen vorgeben und sagen, welche Zwischenschritte erreicht werden sollen“.
Als zweiten Schritt wolle man den Schulen immer mehr Freiraum geben. „Was aber nicht passieren darf, ist, dass am Ende 50 bis 60 Prozent der Schüler durchfallen.“ Zur Unterstützung dieses zweiten Schrittes habe man im April die niedersächsische Schulinspektion ins Leben gerufen. Diese Inspektoren würden die Schulen besuchen und an zwei Tagen den kompletten Unterricht einer Schule „durchnehmen“. „Schon diese Bestandsaufnahme hat zu Veränderungen an Schulen geführt, wenn sich Schwächen gezeigt haben.“ Denn die Schulen setzten sich damit auseinander. Es gehe nicht um einzelne Lehrer, das betonte Saager mehrmals, sondern um eine Qualitätsverbesserung des gesamten Unterrichts der jeweiligen Schulen.

Freiraum

Mehr Freiraum könne unter Umständen auch heißen, von der 45-Minuten-Schulstunde abzuweichen, denn manche Projekte legten andere Zeiteinteilungen nahe. Auch bei der Lehrerauswahl kann sich Saager vorstellen, dass sich Schulleiter künftig viel mehr daran orientieren, ob eine neue Kraft ins Kollegium passt. Auch die fortlaufende Beschäftigung mit der Verbesserung der Unterrichtsqualität und die Eigenbudget-Verwaltung sollen ins Auge gefasst werden. „Das kann nicht von heute auf morgen kommen und erfordert natürlich Schulung der Leiter,“ so Saager.
In einem zweitägigen Hearing, das vor zwei Wochen in Hannover stattgefunden habe, seien die Vertreter aller Seiten unisono zum verblüffenden Ergebnis gekommen: Die Eigenverantwortung der Schule ist der richtige Weg, um notwendige Veränderungen herbeizuführen. „Natürlich muss der Leiter auch mehr Leitungskompetenzen haben.“ Der Staatssekretär geht von einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren im Laufe des nächsten Jahres aus. Da Eigenverantwortung natürlich eine gewisse Größe erfordere, setze man in Hannover auf die Bildung von Netzwerken unter den kleineren Schulen. Diese sollen nicht geschlossen werden.

Notizen

Aus der anschließenden Diskussion dürfte Saager einen ganzen Stapel von Notizen mit nach Hannover genommen haben. Eben diese Bildung von Netzwerken löste die Frage aus, ob das dazu führen werde, dass dadurch künftig Schulleiter-Stellen eingespart werden sollen. Die Frage nach der Unterrichtsversorgung brannte dem stellvertretenden Samtgemeinde-Direktor Hans-Hinrich Pape auf den Nägeln: „Unsere Schüler an der Heinrich-Behnken-Schule haben 23 Wochenstunden, in Tarmstedt sind es 32!“ „Dass die finanzielle Situation knapp ist, haben wir immer gesagt. Zum 1.8. kommen mindestens 14 Kräfte aus anderen Regionen in diesen Landkreis,“ versprach Saager. „Aber nicht an unsere Schule!“, war die Antwort der Selsinger. Auch Schulleiter Raimar Kirn schlug in diese Kerbe: „Ich bin schon lange Schulleiter und habe immer wieder Stunden abgeben müssen. Am Gymnasium haben die Schüler sieben Stunden, wir schicken unsere nach vier Stunden nach Hause!“. Es zeigte sich, dass, wer kein Geld habe, auch keine Zusagen machen kann.

Sau durchs Dorf

Dem Schulausschuss-Vorsitzenden Dr. Arne zum Felde gingen die Reformen zu schnell: „Ich würde mir etwas mehr Planungssicherheit wünschen. Ich habe den Eindruck, Sie treiben jedes Jahr eine neue Sau durchs Dorf, ohne die vorherige geschlachtet zu haben!“ „Ich gebe zu, dass es sehr schnell ist, aber es sollte auch aus einem Guss sein“, erwiderte Saager.

Sozialpädagoge

Den Ruf nach einer schnellen Bereitstellung eines Sozialpädagogen für Selsingen trat Minister Hans-Heinrich Ehlen entgegen. Er trat vielmehr dafür ein, dass diese zuerst an solche Schulen sollten, in denen es wirklich Brennpunkte gebe und wo die Lehrer mit den Kindern nicht mehr fertig würden. Und das sei ja in Selsingen nicht der Fall. Das gestand man zu und so heißt es: Warten. Anschließend bedankte sich Moderator Minister Ehlen für die angeregte Diskussion.


Eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde mit Minister Ehlen an der Spitze diskutierte in Selsingen über Schulpolitik

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