Aktuelles aus der Region

zurück

Weser-Kurier/Wümme-Zeitung vom 07.03.2005

„Der Landwirt wird zum Schreibwirt“

Niedersachsen Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich über Agrarreform, Krähenjagd und Stromtrassen

Man darf ihn ruhig Bauer nennen: „Da bin ich stolz drauf“, sagt Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) Seine kräftigen Hände zeugen davon, dass dieser Mann ordentlich anpacken kann. Und das nicht nur auf dem heimischen Hof in Kalbe bei Sittensen. Sturmfest und erdverwachsen vertritt er seinen Berufsstand auch in Hannover, Berlin und Brüssel. Unser Redakteur Kai A. Struthoff traf den Minister in Verden.
Frage: Schnee im März: Ist das ein gutes Zeichen für Landwirte?
Ich hab in meiner Zeit als Landwirt schon alles mitgemacht. Ich nehme lieber ein bisschen Schnee als Kahlfröste. Wenn jetzt der Winter noch einmal richtig tief Luft holt, dann nehmen wir das so hin. Landwirte sind an Wind und Wetter gewöhnt.
Trotz guter Ernte verdienten Landwirte im vergangenen Jahr nur rund 26 000 Euro durchschnittlich. Es gibt erste Bauern, die aus Protest gegen die niedrigen Milchpreise von der Nordmilch weggehen und versuchen wollen, ihre Produkte selbst zu vermarkten. Haben Sie dafür Verständnis?
Dass Milchbauern unruhig sind und Existenzangst haben, dafür habe ich Verständnis. Aber einige sind da sehr emotional reingegangen. Die hätten wahrscheinlich noch mal nachdenken sollen, ob dieser Schritt der richtige ist, denn sie haben momentan große Probleme, ihre Milch an den Markt zu bringen. Trotzdem hoffe ich, dass diese Aktion dazu beiträgt, dass wir insgesamt eine bessere Marktsituation bekommen.
Weil Konkurrenz das Geschäft belebt?
Auch bei den Molkereien ist man sich dadurch der Problematik bewusst geworden. Trotzdem kann man nicht gegen die Marktsituation an. Wir produzieren mehr, als wir verkonsumieren. Da ist auch die Politik gefordert, um Produktion und Verbrauch zueinander zu bringen. Man muss versuchen, auf Berlin und Brüssel Einfluss zu nehmen.
Und was tut das Land Niedersachsen, um den Bauern zu helfen?
An den Märkten können auch wir nicht machen. Der Lebensmitteleinzelhandel kann die Preise fast diktieren. Niedersachsen hilft Bauern, die noch wachsen wollen, durch zinsgünstige Kredite. Die Position der niedersächsischen Milcherzeuger ist nicht die schlechteste, was Betriebsgröße und Produktivität angeht. Da ist es in Süddeutschland sehr viel schwieriger, weil dort die Betriebe kleiner sind.
Milch ist inzwischen oft billiger als Mineralwasser. Wie kann die Landwirtschaft der „Geiz-ist-geil“- Mentalität der Verbraucher begegnen?
Wenn man Verbraucher fragt, dann sind sie bereit, für gute Qualität und besseren Geschmack auch mehr Geld auszugeben. Im Laden schalten sie dann aber schnell von dieser Kopf- Haltung auf die Bauch- und Portemonnaie-Haltung um und kaufen billige Produkte. Wir müssen da auch eine gesellschaftliche Wertediskussion führen. Dass Milch billiger ist als Wasser und Hundefutter teurer als Fleisch, kann so nicht sein.
Seit zwei Monaten ist die EU-Agrarreform in Kraft. Viele Landwirte klagen über die Zunahme an Bürokratie. Wie erleben Sie das auf ihrem eigenen Hof?
Meinen Hof macht mein Junior. Das geht durch das Ministergesetz nicht anders. Mein Sohn hat ihn von mir gepachtet.
Und: Sagt der nicht manchmal: „Vadder, was habt ihr da wieder gemacht?
Genau das fragt der schon recht oft. Er stimmt schon, dass wir viel Zeit am Schreibtisch verbringen. Durch die neuen gesetzlichen Möglichkeiten wird es aber, wenn es läuft, einfacher werden, aber es muss erst einmal laufen. Mein Vorwurf an Brüssel und auch an Bundesministerin Künast, die immer wieder behauptet hat, es werde weniger Bürokratie, lautet: Die ganze Kontrollebene, die jetzt eingezogen wird, um die Prämien zu bekommen, führt dazu, dass der Landwirt noch mehr zum Schreibwirt wird.
Das Thema Krähenjagd empört viele Menschen. Muss dieses ziemlich barbarische Totknüppeln der Vögel wirklich sein?
Es handelt sich um ein Forschungsprogramm des Wildbiologischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Es geht dabei um das Wiesenvogelschutzprogramm, das viel Geld kostet. Wenn wir nun feststellen, dass beispielsweise die Kiebitze kaum, dass sie geschlüpft sind, nicht mehr da sind, weil vermutlich Rabenkrähen sie aufgefressen haben, dann ist das ein teures Krähenfutter. Lohnt da ein Wildvogelschutzprogramm für einige hunderttausend Euro?
Aber müssen die Krähen denn wirklich totgeprügelt werden?
Sonst werden sie erschossen. Tot sind sie. Wie will man das sonst machen? Man geht derzeit von etwa 36 000 Rabenkrähen im Landkreis Leer aus. Jetzt will man etwa ein Viertel herausnehmen. Dann sehen wir, ob dadurch die Überlebenschancen der Wiesenbrüter besser werden. Diese Vögel haben keine Chance gegen die Krähen. Dass es keinen Spaß macht, die Krähen totzuschlagen, ist klar. Aber uns fehlen bisher wissenschaftliche Beweise. Der Versuch läuft bis nächstes Jahr, wenn schon vorher eine Tendenz abzusehen ist, kann er auch verkürzt werden.
Als Raumordnungsminister sind Sie für die umstrittenen Stromtrassen zuständig, die die Energie von den Off-Shore-Windparks ins Land leiten. Die ersten Gemeinden protestieren gegen die Trassenführung. Was sind Ihre Ziele und Vorgaben?
Ich habe dem Bundesumweltminister Trittin einen knallharten Brief geschrieben. Er kann nicht einfach neue Windparks auf hoher See genehmigen, ohne sich Gedanken über die Abführung des Stroms zu machen. Trotzdem wird wohl das Gros der Leitungen schon rein geographisch durch Niedersachsen laufen. Es gibt von der Winkra einen Antrag auf eine Hochmastenleitung, der von uns geprüft wird, ob das geht oder nicht.
Was favorisieren Sie?
Ich wünsche mir - so wie eigentlich alle - , dass man die Leitungen in die Erde legt. Aber da hapert es zurzeit noch an der Technik. Es gibt keine Leitungen, die diese Höchstleistungen erbringen und über längere Strecken in der Erde verlegt werden können. Daran wird gearbeitet, aber das dauert noch. Das ist aber auch nicht mein Thema. Wir können einen Antragsteller beraten, aber bildlich gesprochen: Wer eine Hochgarage beantragt, kann von uns keine Tiefgarage genehmigt bekommen.
Also läuft des auf Oberleitungen hinaus?
Die Horrorvision geht ja von acht Trassen aus. Aber ich hoffe, dass wir es letztlich mit nur einer Trasse hinbekommen. Viele der Gemeinden, die jetzt gegen Trassen protestieren, betreiben im übrigen selbst Windparks. Ich selbst bin übrigens auch Windmüller. Da hat dann natürlich auch jeder selbst ein Stück Verantwortung dafür, wie man den Strom ins Netz kriegt. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, wie lange wir uns diesen teuren Strom noch leisten können.

zurück