Aktuelles aus der Region

zurück

Kolumne in der Bremervörder Zeitung am 19. Mai 2012

Nicht einfach blenden lassen

Schon Himmelfahrt vorbei und Pfingsten vor der Tür. So manch einer wird denken, er ist in einem Zeitrafferfilm, denn Ostern oder gar Weihnachten sind noch so präsent, als wäre es erst gestern gewesen. Ähnlich ist es mit den politischen Ereignissen.  Auch sie rauschen in einem atemberaubenden Tempo an uns vorbei. Heute Spitzenkandidat bei einer Landtagswahl, morgen von allen Ämtern enthoben. Heute Bundespräsident, morgen von den Medien platt gemacht. Aber auch der Sport ist gnadenlos, heute europäische Spitzenmannschaft im Fußball, morgen gedemütigter Pokalverlierer.
„Was suchest du den Splitter in deines Bruders Auge und siehst nicht den Balken in deinem eigenen Auge“ ( Lukas 6,41)
Wir Menschen neigen dazu, Ereignisse und besonders Fehlentwicklungen zu skandalisieren und aufzuputschen, um uns daran abzuarbeiten. Das geht in der Regel so lange, bis ein Schuldiger gefunden wurde und abgestraft wird. Dann hat die liebe Seele ruh, denn wenn einer die Schuld hat, ist das Problem nur noch unterschwellig vorhanden und „die nächste Sau kann durchs Dorf getrieben werden“. Dabei sollten wir uns der wirklichen Probleme bewusst werden und ein jeder vor seiner eigenen Haustür nach dem Rechten sehen. Es ist einfach, mit dem Finger auf den anderen zu zeigen und sich selber in Unschuld zu waschen. Wenn wir unsere Wegwerfgesellschaft anprangern, meinen wir meist die anderen, obwohl wir selber noch Defizite in voller Breite aufweisen.
Ich merke an mir selber, dass ich mich oft von aufwändiger Verpackung blenden lasse, ich rede vom Energiesparen und handle selber kontraproduktiv durch unnützes Anlassen von Beleuchtung, wenn keiner im Raum ist, fahre mit dem Auto, wenn auch das Fahrrad möglich ist. Bin geschockt, wenn Menschen im Straßenverkehr zu Tode kommen und trete selber - wenn es geht, aber eigentlich nicht nötig ist - das Gaspedal ganz durch.
Im Umfeld von „Mc“ und „Burger“, liegen Straßengräben und Wegesränder voll mit Verpackungsresten und wir fragen uns, wie die da wohl hinkommen.
Ich stelle fest, dass ich selber noch sehr verbesserungsbedürftig bin und man bei jeder geforderten Veränderung erst mal in den Spiegel schauen sollte. Als Politiker einer großen Volkspartei werde ich permanent  von selbsternannten „Gutmenschen“ beschimpft, weil sich Dinge so darstellen, wie sie sind und deshalb nun sofort geändert werden müssten. Es wird durch Polarisierung eine Hektik erzeugt und der Weltuntergang prophezeit. Ökostrom muss her, sofort und zu hundert Prozent. Windkraftanlagen und Stromleitungen sind notwendig, aber gefälligst nicht in Sichtweite meines Wohnortes. Energiepflanzen ja, aber nur keinen ertragreichen Mais. Waldumbau zu Mischwald sofort, obwohl ein Baum hundert Jahre braucht um groß zu werden.
Es gibt noch viele andere Dinge, bei denen Besonnenheit besser ist als Hektik. So geben mir die Schlagzeilen, Berichte und Leserbriefe der vergangenen Wochen einiges zum Nachdenken. Geht es uns mit einer Arbeitslosigkeit nahe der Vollbeschäftigung wirklich so schlecht? Ist die Arbeit in und an der Gedenk- und Dokumentationsstätte in Sandbostel wirklich so grottenschlecht? Können unsere Straßenmeistereien mit den  erhöhten Mittelzuweisungen wirklich alle Begehrlichkeiten sofort bedienen? Muss die UN-Behindertenrechtskonvention übers Knie gebrochen werden oder ist ein langsamer Übergang sinnvoller? Hat „Multi- Kulti“ einen höheren Wert als regionales Kulturgut? Ist Staat und Politik wirklich für alles zuständig?

Ein schönes Wochenende wünscht
Euer  Heiner Ehlen

zurück