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Kolumne in der Bremervörder Zeitung am 15.11.2014

Die Bevölkerung ist wichtiger als Ideologie

Liebe Leserinnen und Leser,

es mag überspitzt klingen, aber wenn man den Entwurf des neuen Landesraumordnungsprogramms der Niedersächsischen Landesregierung liest, fühlt man sich unweigerlich an das Sprichwort „Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit“ erinnert. Es scheint, als habe sich hier der politische Kopf des Landwirtschaftsministeriums all seine geheimen Wünsche von der Seele geschrieben, ohne auf die Auswirkungen der Mitbürger in den überplanten Regionen Rücksicht zu nehmen. Doch wer ehrlich ist, hat bekanntermaßen nicht automatisch Recht.

Dass sich die Planung der Regierung vom „Grünen Tisch“ bei den Betroffenen nicht verkaufen lässt und stattdessen berechtigte Wut und Protest hervorruft, hat die große Demonstration bei der Veranstaltung am 5. November in Augustendorf gezeigt. Die Familie Böttjer hatte den für das Landesraumordnungsprogramm zuständigen Minister Christian Meyer auf ihren Hof eingeladen, um ihn auf die verheerenden Auswirkungen der geplanten Wiedervernässungen zur Moorneubildung hinzuweisen. Verständlich ist die Existenzangst der Familie und nachvollziehbar die Nachfrage, ob ihr Sohn noch Landwirt werden und seine Ausbildung bei der unsicheren Lage zu Ende bringen solle. Mit diesen Ängsten und Sorgen steht die Familie Böttjer nicht alleine da. Weit mehr als 1500 aufgebrachte Landwirte aus den unterschiedlichsten niedersächsischen Moorregionen kamen nach Augustendorf, um ihren Unmut und ihre Zukunftsangst dem Minister gegenüber Ausdruck zu verleihen.

Als schien der Landwirtschaftsminister Meyer von derartigem Widerstand überrascht, schlug er plötzlich eine Kehrtwende ein und ruderte in seinem Programm hilflos zurück. Es wäre ja nicht alles so gemeint wie es im Landesraumordnungsprogramm stehe, und keiner solle von seinem Hof oder aus seinem Haus vertrieben werden, waren seine Worte. 
Angeblich gelte es, nur die Torfindustrie aus dem Moor zu verdrängen. Von Genehmigungsvorbehalten für neue Haus- und Stallbauten sei gar keine Rede. Die Wasserwirtschaft mit Pumpwerken, Gräben und Drainagen würde nicht angetastet beziehungsweise keine Neuprojekte mehr genehmigt werden.

Doch wozu braucht es dann eine solch umstrittene Planung, wenn es angeblich kaum Auswirkungen gibt? War beim Besuch in Augustendorf alles nur schöngeredet? Am Ende blieben vielen Fragen offen. Warum sind beispielsweise Flächen, die weniger als 1,30 Meter oder gar keine Torfauflage haben, in den Karten aufgezeigt, wenn diese Moorauflage das Kernkriterium für das Moorerentwicklungsprogramm durch Wiedervernässung sein soll? Ist im übrigen die Angst der Bevölkerung vor Wiedervernässung bezüglich von Mücken- und Insektenplagen völlig außen vor gelassen worden? Unverständlich ist auch, warum veraltete Karten verwendet wurden, die die realen derzeitigen Nutzungen nicht wiedergeben. Manch einer fragt sich, was die Regierung als verkappte Maßnahme noch „im Ärmel“ hat.  Es bleibt das beklemmende Gefühl, das alles, was Minister Meyer jetzt zurücknimmt, langfristig doch noch wieder peu à peu hervorgeholt und umgesetzt wird. Am Ende kann es viele Einschränkungen geben - die FFH-Richtlinie lässt grüßen.

Im Übrigen: Der Torfverbrauch im Erwerbsgartenbau wird in Deutschland nicht nennenswert zurückgehen, wenn Niedersachsen den Torfabbau reduziert. Stattdessen wird der Import aus dem Baltikum beziehungsweise Osteuropa entsprechend zunehmen. Eine wirkliche Auswirkung auf den Klimaschutz gibt es am Ende also nicht. Das Nachsehen haben die in den Moorregionen lebenden Mitbürger.

 Ihr Heiner Ehlen

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